OGH 3Ob208/23v – Eventualmaxime im Oppositionsprozess
Rechtsgebiet
ZivilrechtFachgebiet
ExekutionsrechtEntscheidungsdatum
31.01.2024Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwältinnen in Graz, gegen die beklagte Partei A* Co Ltd, *, Thailand, vertreten durch Mag. Markus Passer, Rechtsanwalt in Graz, wegen § 35 EO, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 20. April 2023, GZ 4 R 181/22z
-92, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.
[2] In der Berufung stützte die Beklagte den von ihr geltend gemachten Verstoß gegen die Eventualmaxime nicht nur auf eine (der Rechtsrüge zuzuordnende) unzulässige pauschale Aufrechnungseinrede und damit auf eine untaugliche Einwendung der Klägerin, sondern auch auf eine unzulässige Berücksichtigung eines nachträglichen und damit verspäteten Vorbringens. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre hier maßgebenden Ausführungen in der Berufung die Überschrift „ad B unrichtige rechtliche Beurteilung samt sekundärer Feststellungsmängel“ wählte, ist unerheblich, weil die Falschbezeichnung eines Rechtsmittelgrundes nicht schadet, wenn die Rechtsmittelausführungen – wie hier – den jeweiligen Beschwerdegrund deutlich erkennen lassen (RS0041851; 4 Ob 135/19k).
[3] 2.1 Auch mit den sonstigen Ausführungen in der außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[4] Grundsätzlich sind alle Einwendungen im Sinn des § 35 EO schon in der Klage geltend zu machen (RS0001307). Während des Oppositionsverfahrens darf der Kläger ohne Verstoß gegen die Eventualmaxime daher nur solche neuen Tatsachen vorbringen, deren Geltendmachung in der Klage nicht möglich war, weil der Kläger diese nicht kannte oder diese nicht eingetreten waren (RS0001285; 3 Ob 324/02x). Demgegenüber sind bloß nachträgliche Ergänzungen des Vorbringens zulässig, soweit sie die vorgebrachten Tatsachen nur verdeutlichen bzw präzisieren oder richtigstellen, ergänzen oder erläutern (RS0001433; RS0001307 [T4 und T5]; 3 Ob 118/18a). Bei der Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen und diese nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen (3 Ob 125/22m). In diesem Sinn erfordert etwa eine Schlüssigstellung des Begehrens in der Regel neues Tatsachenvorbringen, was über das Maß der bloßen Verdeutlichung oder Präzisierung des bisherigen Vorbringens hinausgeht (vgl RS0001369; 3 Ob 143/13w).
[5] 2.2 In der Klage stützte die Klägerin die von ihr zur Aufrechnung gegen den betriebenen Anspruch herangezogenen Schadenersatzansprüche aus dem Liefervertrag „LAOS 3“ auf die Verzögerung des Projekts durch kreditschädigende Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten. Seit Herbst 2019 stehe dieses Projekt in der Abwicklung. Durch diese Verzögerung entgehe ihr ein Deckungsbeitrag von mindesten 508.000 EUR. Weiters habe sie 15 kleine Traktoren mit Anhängern (zum Preis von 369.700 EUR) gekauft, die zur Reduzierung des frustrierten Aufwands verkauft werden sollen, was aber schwierig sein werde.
[6] Im Schriftsatz vom 22. 7. 2020 (ON 7) führte die Klägerin aus, dass der zugrunde liegende Liefervertrag im Mai 2018 unterfertigt worden sei. Der Finanzierungsvertrag mit den Finanzierungsbedingungen zwischen LAOS und Österreich (konkret der Kontrollbank) sei im April 2020 unterfertigt worden. Die „closing period“ zur Erfüllung der Finanzierungsbedingungen sei von der für die Finanzierung zuständigen Bank Austria bis 27. 7. 2020 verlängert worden. Sie habe frühestens im Herbst 2019 feststellen können, dass ein Schaden eingetreten sei.
[7] In der Verhandlung vom 4. 9. 2020 (ON 11) brachte die Klägerin schließlich vor, dass das Projekt nach dem Ende der „closing period“ gestartet worden sei. Durch Mehraufwendungen zur Rettung des Projekts aufgrund der geschilderten Verzögerung sei ihr ein Schaden von 233.992,08 EUR entstanden, der sich aus dem Deckungsbeitragsentgang durch Reduzierung des Vertragswerts am 28. 2. 2020 (85.721,38 EUR), den Finanzierungskosten für die „Lagerung“ der Traktoren samt Anhängern vom 31. 10. 2018 bis 27. 7. 2020 (12.914,95 EUR) und den erhöhten Reisekosten und Gehaltsaufwendungen für ihre Monteure und Vertriebsmitarbeiter von August 2018 bis Juli 2020 (135.355,75 EUR) zusammensetze.
[8] 2.3 Die von der Klägerin zum entgangenen Deckungsbeitrag ins Treffen geführte Reduzierung des Vertragswerts erfolgte nach ihrem eigenen Vorbringen bereits am 28. 2. 2020 und damit vor Einbringung der Klage. Während die Klägerin in der Klage einen Verkauf der angeschafften Traktoren samt Anhängern behauptete, stützte sie sich in der Verhandlung vom 4. 9. 2020 auf zusätzliche Finanzierungskosten für deren Verwahrung ab 31. 10. 2018. Die geltend gemachten zusätzlichen Reise- und Gehaltskosten seit August 2018 waren bis zur Verhandlung vom 4. 9. 2020 nicht Thema des klägerischen Vorbringens.
[9] Davon ausgehend ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin konkretes Vorbringen zu den geltend gemachten Schadenersatzbeträgen bereits früher möglich gewesen wäre und die erst in der Verhandlung vom 4. 9. 2020 erfolgte Aufschlüsselung ihres Schadens gegen die Eventualmaxime verstoße, weshalb die Oppositionsklage zur Gänze abzuweisen sei, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die „closing period“ hatte auf den Deckungsbeitrag durch die Reduzierung des Auftragsvolumens und die geltend gemachten zusätzlichen Kosten keinen Einfluss. Entgegen ihren Behauptungen hat sich die Klägerin von Anfang an auf eine Verzögerung der Projektabwicklung und nicht auf ein Scheitern des Projekts gestützt. Der zugrunde liegende Liefervertrag war auch schon längst, nämlich seit April 2018, abgeschlossen. Die zusätzlichen Kosten sind ab August/Oktober 2018 bis Juli 2020 entstanden. Beim Vorbringen in der Verhandlung vom 4. 9. 2020 handelte es sich somit nicht nur um präzisierende, sondern um neue Tatsachenbehauptungen, wobei die anspruchsbegründenden Umstände der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bekannt waren.
3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Textnummer
E140594European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00208.23V.0131.000Im RIS seit
26.02.2024Zuletzt aktualisiert am
26.02.2024Dokumentnummer
JJT_20240131_OGH0002_0030OB00208_23V0000_000